Immer wenn der Sommer kommt, habe ich das Verlangen, die Songs von Neil Young aufzulegen, am besten im Auto und auf der Autobahn - da werden selbst 120 Pferde ganz zahm und lassen ihre Mähnen bei gemäßigtem Tempo auf der rechten Fahrspur zufrieden im Wind wehen...
Dies hier soll beileibe keine History sein, denn zum einen würde diese den Rahmen dieses Hefts sprengen und zum anderen habe ich bei weitem noch nicht alle der massenhaft im Laufe der letzten 3 Jahrzehnte erschienenen Platten Neil Youngs erstanden; genug allerdings, um euch allen die Musik dieses außergewöhnlichen Musikers und Songwriters ein wenig näherzubringen:
Wenn man über Neil Young spricht, kann man der Einfachheit halber gleich einen dicken Trennstrich bei seinen Werken ziehen: Da wären zum einen die langsamen und balladesken und zum anderen die lauten, harten Songs, auf denen es so richtig kracht, auf denen man ungehobelten Hardrock hören kann, der von all diesen jämmerlichen Seattle-Bands als Grunge in den 90ern populär gemacht wurde und der nicht mal ansatzweise die Qualität der Songs von Neil Young erreichen. Ihr müßtet euch also entscheiden, welchen Weg wir zuerst betreten sollen, aber da diese Zeilen längst vollendet sind, wenn ihr dieses hier lest, nehme ich euch die Entscheidung ab, denn da wir es hier mit einem immer noch dem HM zugewandten Heft zu tun haben, soll die laute, harte Seite den Anfang machen und hier am besten die Platte, mit der ich den Einstieg gefunden habe: "Weld"!!!
Bei "Weld" handelt es sich um eine 1991 aufgenommene Doppel-Live-CD, die Young mit seiner bewährten (aber nicht immer eingesetzten) Begleitband Crazy Horse aufgenommen hat; dieses Werk erschien in einer limitierten Auflage mit einer dritten CD und unter dem Titel "Arc/Weld", wobei es "Arc" mittlerweile auch einzeln zu kaufen gibt. Ich würde euch allerdings von "Arc" abraten, da sich auf dieser CD lediglich quietschende und lärmende Rückkopplungen (!) befinden...Auf "Weld" hingegen stehen unzählige Songs, die zu Youngs Klassikern zählen und auch heute noch in seinem Live-Programm stehen, alle in knallharten Versionen: Den Anfang macht "Hey hey my my", bevor "Crime in the city" dann den Alltag eines korrupten Polizisten beschreibt ("I get paid by a ten-year-old, I take my orders from fools, meanwhile some punk blows my head off, while I play to their rules") und mit "Blowin´ in the wind" eine weitere Steigerung zu den bereits erstklassigen Vorgänger-Titeln folgt: Der Bob-Dylan-Song wird in eine gigantisch verzerrte Gitarren-Dröhnorgie verpackt und mit Youngs melodischem Gesang versehen, der pure Wahnsinn!!! Weiter erwähnenswert noch das melodische "Powderfinger" (erinnert mit seinen Doppel-Leads immer ein wenig an Thin Lizzy) und das monumentale "Cortez the killer", sicher einer der melancholischsten und atmosphärischsten Songs, die je aufgenommen wurden. "Like a hurricane" und das fetzige "Rockin´in the free world" sind ebenso euer Geld wert wie die harten "Love to burn" und "Mansion on the hill", letzteres mit einer ganz eigenen Atmosphäre, hört euch den Text an und dieses Haus wird vor eurem geistigen Auge auftauchen, in gleißendes Sonnenlicht getaucht..."Weld" ist ein Hammer, der wie ein Schlag kommt und mit lautem Dröhnen einer verzerrten Gitarre langsam verhallt, quasi die Eintrittskarte zum harten Teil der Musik von Neil Young. Diese DoCD ist leider nicht gerade billig, zwischen 45,-- und 50 DM sind fällig, ihr könnt das Risiko aber wirklich bedenkenlos eingehen, so wie der Verfasser dieser Zeilen auch!
Habt ihr das Ticket mit "Weld" erst einmal gelöst, geht´s wie von alleine, denn der nächste harte Streich steht in Form der 90er-Scheibe "Ragged Glory" schon parat: Auch hier geht´s gewaltig zur Sache, laut und ungehobelt, dabei aber immer mit Melodie und Atmosphäre, "Love to burn" und das bereits erwähnte "Mansion on the hill" solltet ihr unbedingt gehört haben (beide ja auch auf "Weld" in Live-Versionen vertreten). "Mirrorball" ist ebenfalls Pflicht, auch wenn da diese unsäglichen gehypten Typen dieser bekannten Seattle-Band mitspielen, deren Name ich micht weigere, hier zu nennen, ha ha...Eine donnernde, dröhnende Produktion (wie bei fast allen neueren Young-Sachen volldigital), bei der die schiere Urgewalt zwischen jedem Ton hindurchschallt, so wie bei "Act of love" oder dem genialen "I´m the ocean", machen "Mirrorball" zur absoluten Pflichtübung. Ein weiteres Live-Album ist an dieser Stelle ebenfalls dringend zu empfehlen, da es DAS Klassikeralbum Neil Youngs ist: "Live Rust" von 1979, die als DoLP ihren besonderen Reiz dadurch bezieht, daß die komplette erste Seite ruhigen akustischen Nummern gewidmet ist und dann ab Seite 2 wieder der Donner regiert und ganz einfach verdammt gute Rockmusik auf einen losläßt. "Rust never sleeps" stammt aus dem selben Jahr wie "Live Rust" und schlägt ebenfalls erst nach der Hälfte der Songs von akustischem auf elektrisches Material um, eine äußerst reizvolle Mischung, wie ich finde, die ihre Höhepunkte natürlich bei "My my hey hey" sowie "Powderfinger" hat und seinerzeit ebenfalls zum Klassiker wurde. Neulich hab´ich mir dann für einen Zwanziger noch "Zuma" gekauft, eine Scheibe, auf der die elektischen Klänge vorherrschen - herausragend das lange "Danger Bird" sowie der Klassiker "Cortez the Killer" in der trockenen, rauhen, spröden, sehnsüchtigen (ja ja, ich hör´ja schon auf...) Studio-Version und last not least der Schlußsong, auf der eine der vielen Reunions mit Crosby, Stills & Nash stattfand. Letztere Band ist im übrigen sehr interessant, als ich zum ersten Mal "Cathedral" vom 77er-Album "CSN" gehört habe, war ich hin und weg: Ruhige, melodische Chöre der 3 Sänger bestimmen die Platte, die man beinahe schon als Musik zum Träumen bezeichnen kann. "Deja vu" als remasterte Version gab es dann für 17,99 DM und so schlug ich auch hier zu (das Geld muß raus!) und bekam das wunderschöne "Teach your children" (wird auch heute noch im Radio gespielt), "Almost cut my hair" oder "Our house" zu hören. Daß es sich hier aber um eine CSN & Y (oung)-Platte handelt, erfährt man bei genialen Neil Young-Song "Country Girl". Also Leute, auch hier könnt ihr mal ein Ohr riskieren, 70´s Rock still rules!!!
Ihr habt sicher schon bemerkt, daß wir den Härtegrad stufenweise zurückgedreht haben, von den durchgehend lauten Tönen von "Weld", "Ragged glory" und "Mirrorball" hin zu den gemischteren "Rust never sleeps" und "Live Rust", so daß wir nun zu dem kommen, was die meisten Leute komischerweise mit dem Namen Neil Young verbinden, nämlich langsame, bedächtige und gefühlvolle akustische Songs. Hier gibt es 3 Platten, die man unbedingt gehört haben sollte: Zum einen Youngs bekannteste Platte, die 72er-"Harvest", die den einzigen richtigen Hit Neil Youngs brachte, der natürlich "Heart of gold" heißt und auch heute noch oft im Radio gespielt wird. Auf "Harvest" regieren Songs, bei denen ich mir immer eine gerade, unendlich weite, staubige Landstraße vorstelle, während ein Tape gerade die so zerbrechlichen Songs vom Schlage "The needle and the damage done" oder "Out on the weekend" spielt...Neil Young knüpfte 1992 an den Erfolg dieser Platte an und wählte mit "Harvest Moon" einen originellen Titel für seine 10 akustischen Songs, die zwar nicht ganz an "Harvest" heranreichen, dafür aber eine wesentlich bessere, weil nicht ganz so staubtrockene (wie war das noch mit der Landstraße?) Produktion besaßen. Die dritte Platte, die man gehört haben sollte, heißt "After the goldrush" und bietet ebenfalls größtenteils melancholisch angehauchte Songs, die eigentlich keiner weiteren Beschreibung bedürfen, außer einer kleinen Anleitung vielleicht: Holt euch eine der ruhigen Scheiben nur, wenn ihr in dem Moment auch wirklich was ruhiges hören wollt und ihr werdet eure Freude an den Songs haben, nur dann werdet ihr nämlich erkennen, daß Neil Youngs Stimme das gewisse Etwas besitzt, obwohl sie weder besonders hoch oder tief oder kräftig klingt. Zudem besitzen viele seiner Songs eine wirklich eigene Atmosphäre, die man unbedingt mal antesten sollte, zumal viele der älteren Werke recht günstig zu erstehen sind.
Den besten Song allerdings habe ich euch noch vorenthalten: Die Studio-Version des auf "Weld" enthaltenen "Rockin´ in the free world"!!! Ein kleinerer Hit von der 89er-CD "Freedom", ein harter, treibender Hardrocker, der abgeht wie die Hölle und einen wie gewohnt sehr guten Text besitzt. Das Besondere daran ist die Tatsache, daß man eine akustische Live-Version davon am Anfang der Platte findet, bevor sich diese dann mehr schlecht als recht zum Ende hinschleppt, bevor sie mit der elektrischen Version explodiert!!! Glaubt mir, die beiden Versionen sind das Geld für die ganze, wenn auch nicht ganz so empfehlenswerte Platte wert!
Vor kurzem erschien mit "Broken arrow" eine brandneue CD, die Neil Young wieder mit seiner alten Begleitband Crazy Horse aufgenommen hat, die wieder laut und heftig ausgefallen ist und an "Mirrorball" anknüpfen kann. Die im Juli ´96 in Deutschland stattgefundenen Konzerte sollen ebenfalls sehr laut gewesen sein (zum Zeitpunkt des Konzerts in Frankfurt war ich ausgerechnet auf Kreta, das nennt man Planung) und die Hallen bzw.. die Open-Airs der 7 Tourstationen waren wie gewohnt ausverkauft. 1997 erschien dann mit "The year of the horse" eine neue Live-Do-CD mit seltener gehörten Titeln, eine rauhe, aber herzliche Angelegenheit, die sowohl die harten als auch die ruhigen Töne bietet, wobei insbesondere das über 14-minütige "Dangerbird" wunderschön und daher erwähnenswert ist, diese Version besitzt "Cortez the killer"-Klasse!!! Young macht sich eigentlich recht rar, was Tourneen angeht, umso überraschender die Ankündigung, im Juni ´97 in Stuttgart in der Schleyerhalle zu spielen, woraufhin ich mir endlich ein Ticket sicherte, nur um dann zu erfahren, daß sich der Meister beim Schneiden eines Schinkenbrotes (!) schier den Zeigefinger abgesäbelt hat (!!), was zur Absage der gesamten Europa-Tour und zu einer mehrmonatigen Zwangspause Youngs führte. Shit happens!!! Dafür erschien dann mit "Year of the horse" eine geile DoCD mit selteneren Live-Songs des Maestros (u.a. eine viertelstündige Version von "Danger Bird", Kult!) und schön rauhem Sound, die halbwegs für die ausgefallene Tour entschädigen konnte - für Juni ´98 ist dann eine neue Studio-CD angekündigt, auf die ich schon jetzt sehr gespannt bin und die hoffentlich wieder die Zusammenarbeit mit seinen Kumpels von Crazy Horse bringen wird.
Soweit also ein kleiner Abriß über die besten Platten Neil Youngs; wie gesagt, ich hab´ noch nicht alle und so manche Scheibe wird sich bestimmt in die bereits erwähnten Klassiker einreihen - ich bin jedoch ganz froh darüber, daß es noch einige Sachen von Neil Young gibt, die entdeckt werden wollen. Nehmt euch einfach ein wenig Zeit, holt euch eine der CD´s und entdeckt einen ganz außergewöhnlichen Musiker, der seit über 25 Jahren mit seinen Songs zu begeisten weiß.
Oder glaubt ihr nicht auch, daß ein Musiker/Songwriter, der nach so langer Zeit immer noch erfolgreiche Platten veröffentlicht und auf seinen Tourneen die größten Hallen ausverkauft, etwas besonderes sein muß?
Eben.
CD´s: Alle recht einfach erhältlich, die meisten sind als Nice Price auch recht günstig zu erstehen, einzig für "Weld" muß man tief in den Geldbeutel greifen, auch die neueren Sachen wie "Mirrorball" oder "Year of the horse" sind noch zum normalen (hohen) Preis zu zahlen. Fangt am besten mit "Weld" an, wenn ihr hart einsteigen wollt, mit "Live Rust", falls ihr beide Seiten Neil Youngs hören wollt und mit "Harvest", wenn´s die ruhige Seite sein soll. Viel Spaß!
Frank