Wenn ich nach meiner Lieblingsplatte im Bereich des melodischen Power Metal gefragt werde, dann muß ich trotz der Klasse der in den 80ern erschienenen Scheiben nie lange überlegen:
Fifth Angel wurden 1984 von Gitarrist James Byrd und Sänger Ted Pilot gegründet, letzterer hatte seine Stimmgewalt von David Kyle, dem Gesangslehrer von u.a. Geoff Tate oder auch Ann Wilson (Heart) trainieren lassen. Komplettiert wurde das Line-up durch Ed Archer (g), Ken Kay (bs) und Ken Mary (dr), die alsbald ihr Geld in ein 5-Track-Demo investierten, welches in ihrer Heimatstadt Seattle aufgenommen und von Mike Varney begeistert angehört wurde. "Dies war das beste Tape, das mir jemals irgendjemand geschickt hatte, die Produktion war natürlich zu verbessern, aber die Songs waren klasse und die musikalischen Fähigkeiten der Jungs unbeschreiblich. Ich wußte sofort, daß diese Band für Major-Label-Erfolg prädestiniert war."
Varney nahm die Band bei seinem Label Shrapnel unter Vertrag und 1986 erschien dann das bereits angesprochene Debut, welches wie eine Bombe einschlug und wirklich von Anfang bis Ende nicht EINEN EINZIGEN schwachen oder schwächeren Song zu bieten hatte. Von welcher Platte kann man das schon behaupten??? "In the fallout" eröffnete den metallischen Reigen rasant, furios und knallhart, Ted Pilots Stimme war und ist einmalig, mittelhoch, rauh und kraftvoll und im Verbund mit den von der gesamten Band gesungenen Chören schlicht ein Erlebnis. "Shout it out" folgte in bester Holy Diver-Manier, stampfend und unaufhaltsam vorwärts marschierend. Mit viel Tempo ging´s weiter mit "Call out the warning", Double-Bass-Power ohne Ende und eine geniale zweistimmige Refrain-Melodie erzeugen dieses so selten gewordene Gänsehaut-Feeling...Der Titelsong "Fifth Angel" war wieder ein Dio-mäßiger Hammer, treibend und schwer, kristallklar gesungen und melodisch bis in die letzte Note, hinzu kamen dann noch die erstklassigen Texte ("In the darkness they wander, if it´s truth or just a spell, they look to the sky and they call the Fifth Angel"). Seite 1 wird von "Wings of destiny" beschlossen, balladesk und ruhig am Beginn, mit Anti-Kriegs-Thematik: "Take the children, march them off to war, only numbered to count up the final score, lay in waiting for the end to come, and their only chance is loaded in their guns" und dann breiten sich die Schwingen des Schicksals langsam und majestätisch aus und heben euch hoch hinauf, über die Schlacht und über alle Metal-Scheiben, die je erschienen sind. Glaubt mir, der Chor an dieser Stelle ist für die Ewigkeit bestimmt!!! Seite 2 startete dann wieder mit einem Double-Bass-Hammer erster Güte mit Namen "The Night", ganz einfach die perfekte Verbindung von Tempo und Melodie, von den genialen Riffs, den schnellen Leads und der fetten Produktion rede ich hier gar nicht..."Only the strong survive" heißt der nächste Streich, mit herrlich schwerem Riff und wieder dieser vollkommen einzigartigen und doch so leicht zugänglichen Stimme, die einen immer wieder aufs Neue begeistern kann. "Cry out the fools" lautet die nächste Genialität, ein majestätisches Werk mit einmal mehr wunderschönem, zweistimmigem Refrain und ebensolchen Riffs und Soli, die das gewaltige Fundament Fifth Angels bildeten. "Fade to flames" beschließt dieses unsterbliche Meisterwerk mit akustischen Gitarren, die das, was von euch noch übriggeblieben ist, in Flammen der Begeisterung verglühen lassen, bevor der Song nach einem genialen Break auf-und davonstürmt und mit aller nur möglichen Glorie den Thron aller Power Metal-Scheiben erklimmt, den diese Platte seitdem nie mehr verlassen hat.
Dieser Klassiker wurde auch von den Majors registriert und das damals noch unter CBS firmierende Label sicherte sich die Band und dieser damit den Untergang: 1988 wurde zunächst völlig unnötig das Debut mit anderem (schlechterem) Cover und angeblichem Remix (hörte man nicht, war eh nicht nötig) wiederveröffentlicht und wenig später stand dann mit "Time will tell" ein gutes, aber viel zu glattes Werk in den Läden, welches ganz klar den Major-Label-Einfluß zeigte, der die Band ins Radio treiben wollte. Dafür hätte man dann aber auch etwas tun müssen, stattdessen passierte gar nichts, keine Anzeigen, keine Interviews, keine Tour, nichts, das ewig gleiche und ewig gleich elende Spiel, die Platte ging einfach unter und mit ihr eine der genialsten Bands, die im Metal-Bereich jemals existierten (Gitarrist und Mitbegründer James Byrd hatte dies wohl kommen sehen, denn er war vor der zweiten Platte ausgestiegen und hat seitdem einige erfolglose und auch nicht besonders gute Solo-Versuche unternommen, Drummer Ken Mary fungierte ebenfalls nicht mehr als Mitglied, obwohl er die Drumparts auf der Platte eingespielt hatte).
Ich frage mich immer, was ein so begnadeter Sänger wie Ted Pilot heute macht - wenn ich daran denke, daß er womöglich irgendwo an einer Tankstelle oder in einem Lager oder Büro arbeitet, dann weigere ich mich, das zu akzeptieren, so etwas kann und darf einfach nicht sein, aber die Realität ist grausam und zerstört viele Träume, auch die einer Band aus Seattle, die in ihrer Biographie so selbstbewußt verkündet hatte: "This is just the beginning. We have a shot now; I don´t think we´ll miss!"
Ich werde Fifth Angel nie vergessen, ebenso wie all die anderen tollen Bands der 80er vom Schlage Heir Apparent, Savage Grace, Agent Steel, Leatherwolf.....die Liste ist lang, viel zu lang....
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